Liebe Gemeinde!

Ich möchte eigentlich nichts mehr hören zu Corona, ich möchte immer auf dem Laufenden sein zu Corona…

Diese beiden Impulse streiten sich fast täglich in meinem Kopf. Nie mehr werde ich es vergessen, dieses Wort für Ungewissheit, Ohnmacht, Not, Einschränkung, Nervkram, Flexibilität…

Mitten hinein in diese wackelige Situation fällt ein Fest, das kaum konstanter und fest-stehender sein könnte. Ohne Advent und Weihnachten mit seinen festen Ritualen und Gewohnheiten bis in jedes Familienleben hinein, ist das Jahr nicht vollständig, der Winter nicht richtig – und für einige sogar kaum erträglich!

Die Erfahrungen, die wir gerade alle unfreiwillig machen, werfen ein neues Licht auf diese vertraute weihnachtliche Atmosphäre. Gott hat sich hineinbegeben in eben diese Ungewissheit, Ohnmacht, Einschränkung, ja sogar in den Nervkram! Mensch geworden ist er – mit allem Drum und Dran!

Und Mensch zu sein bedeutet im Augenblick, schmerzlich zu spüren, wie wenig wir am Ende selbst in der Hand haben. Uns hat das Maß an Freiheit, das wir schon so oft genossen haben, möglicherweise darüber hinweggetäuscht, dass wir voneinander abhängig sind, aufeinander verwiesen, gebunden – in guten und in schlechten Zeiten! Die heiß geliebte (und in weiten Teilen ja auch berechtigte) Individualisierung hat scheinbar ihren Zenit überschritten!

Vielleicht ist das noch eindringlicher als sonst der Appell des Weihnachtsfestes: Suche die Menschen – nicht nebenbei und selbstverständlich, sondern gezielt und bewusst!
Trotz aller Abstandsregeln – mehr noch: wegen aller Distanzvorschriften! Halte Aus-schau nach den konkreten Menschen, die mit dir leben; Menschen, mit denen du reden kannst; Menschen, die ganz zuhören; Menschen, die manchmal auch keine Antwort wissen, aber die Hoffnung haben; suche nach den Menschen, die trotz schlechter Erfahrungen nicht traurig oder bitter geworden sind.

Und dazu gehört auch: Gib du dich ebenfalls zu erkennen! Die Menschen neben dir
können nur von und mit dir leben, wenn sie wissen, wer du bist. Rede – über dich und
deine Träume, deine Vorstellungen vom Leben! Zeige deine Bereitschaft, aber auch
dein Unvermögen. Jesus ist als Kind geboren: nackt! Dieses schutzlose Wesen beten
wir an – als Offenbarung Gottes! Wenn wir das innerlich annehmen können, dann
entsteht die Ahnung: Es muss schön sein, einem anderen Menschen ganz glauben und
vertrauen zu können.

Gott hat sich uns mit der Geburt Jesu als Mensch angeboten. Es war sein Fingerzeig
auf die Erde, auf unser Menschsein: Ich will mit euch leben! Ich werde sogar mit euch
sterben. Ich möchte eure Ängste spüren und eure Freuden teilen! Das scheint er zu
sagen mit dem Kind in der Krippe! Gott hat sich ausgesetzt dem Menschsein, dem
Ausgeliefertsein, der Begrenzung. Er teilt die Erfahrung, nichts mehr zu haben als die
Hoffnung. An vielen Enden der Erde, in denen die Krippe in diesem Jahr aufgestellt
wird, haben Menschen genau dieses Gefühl: das Einzige, was uns bleibt, ist die Hoffnung.

Auf etliches müssen auch wir verzichten an diesem Weihnachtsfest unter Corona-Diktat.
Vorübergehend. Aber wohl nur dann vorübergehend, wenn wir uns entschließen,
die Möglichkeiten, die uns trotzdem gegeben sind, nicht verstreichen zu lassen. Wir
können die Zeit, die wir haben, erfüllen mit (erlaubten) Begegnungen und Mitteilungen.
Corona darf nicht in die Beziehungslosigkeit führen. Wir sind mehr als das, was
wir für uns möchten, dürfen, können oder auch haben. Wir sind immer Teil des anderen
und dem, was er möchte, darf, kann und hat. In diesem – durchaus weihnachtlichen
– Gedanken steckt lebbare Zukunft.

Hoffnung ist ja nicht der Glaube daran, dass alles, wann auch immer, gut wird. Hoffnung
ist der Glaube daran, dass Gutes Sinn macht, obwohl der Ausgang ungewiss ist.

Eine gesegnete Adventszeit und ein frohes Fest der Geburt Jesu – auch im Namen von P. Kornelius und dem Pfarrgemeinderat!

Ihre Lydia Bölle