+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (Lk 24,35-48)

Die beiden Jünger, die von Emmaus zurückgekehrt waren, erzählten den Elf und die mit ihnen versammelt waren, was sie unterwegs erlebt und wie sie Jesus erkannt hatten, als er das Brot brach. Während sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen. Da sagte er zu ihnen: Was seid ihr so bestürzt? Warum lasst ihr in eurem Herzen Zweifel aufkommen? Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht. Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Als sie es aber vor Freude immer noch nicht glauben konnten und sich verwunderten, sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier? Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch; er nahm es und aß es vor ihren Augen. Dann sagte er zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch war: Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht. Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften. Er sagte zu ihnen: So steht es geschrieben: Der Christus wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen und in seinem Namen wird man allen Völkern Umkehr verkünden, damit ihre Sünden vergeben werden. Angefangen in Jerusalem, seid ihr Zeugen dafür.

 

„…sie meinten einen Geist zu sehen.“

„Fasst mich doch an.“

„…vor Freude immer noch nicht glauben…“

„…seid ihr Zeugen dafür.“

Das hätte ich kaum für möglich gehalten. Vor einigen Wochen habe ich in der Nähe vom Strand eine Frau mit einer orange-roten Umhängetasche gesehen. Zunächst war ich mir nicht sicher. Aber als ich unbemerkt näher an sie herantrat, um mir diese Tasche genauer anzusehen, war es klar. Ich habe das Emblem wiedererkannt. Diese Frau hat offensichtlich vor etlichen Jahren am weltweit größten Treffen junger Christen in Toronto teilgenommen. Ich auch – als Begleiterin einer Jugendgruppe aus Osnabrück. Und nun trägt sie dieses damalige Gastgeschenk hier vor meinen Augen durch die Straßen. Ich fühle mich aus dem Stand mit ihr verbunden, obwohl wir uns überhaupt nicht kennen – und das Ereignis auch schon so richtig lang her ist. Schade, dass ich in dem Moment nicht die Chance ergriffen habe, sie anzusprechen.

Ich stelle mir vor, dass sie damals – wie viele Jugendliche – ihre Pinnwand zuhause bestückt hat mit weiteren Kostbarkeiten: die Adresse ihrer kanadischen Gastfamilie, Liederzettel verschiedener Gottesdienste, Sticker aus aller Welt, schnell mitgekritzelte Worte des Papstes, die sie berührt haben. Alles Dinge, die mehr sind als Erinnerungsstücke. Unzählige Begegnungen werden darin lebendig. Bewegende Momente sind wieder da. Genauso ergeht es mir bei dem unverhofften Wiedersehen ja auch. Ich erinnere mich sofort an die Atmosphäre auf dem riesigen Feld, auf dem die Vigil gefeiert wurde. Zigtausend junge Menschen haben gemeinsam bei Regen dort übernachtet. Aufregend, spannend, … kostbar!

Die Aufmerksamkeit, mit der manche Menschen Worte und Zeichen einsammeln und bewahren, ist mir sympathisch. Sie rechnen noch damit, dass Ereignisse über den Augenblick hinaus weiterwirken. Ihnen ist klar: Wichtiges muss sich entfalten können. Deshalb lassen sie sich Zeit – zu genießen und zu verstehen.

Und diesen Spannungsbogen entdecke ich auch bei den christlichen Festen. Sie dauern. Auch wenn es im Kalender schon weggeblättert ist, hat Ostern eigentlich gerade erst begonnen. Fünfzig Tage lang wird es gefeiert. Klar, auch ich werde in den nächsten Wochen keine Ostereier mehr kaufen oder verstecken, aber ich merke, dass mir diese kirchliche Tradition sehr entgegenkommt. Die Botschaft von einem Leben nach dem Tod muss sacken können, jedes Jahr wieder. Dass jemand mich und alle anderen auferwecken will, möchte ich mehr als einmal hören. Es braucht Zeit, damit mein Vertrauen in solche Versprechen wachsen kann.

Das geht den Jüngern nicht anders. Auch bei ihnen dauert es, bis sie glauben und vertrauen können. Die Emmausjünger haben das Glück, das Zeichen des Brotbrechens an und mit Jesus wieder neu zu erleben. So ist plötzlich alles wieder da. So ist ER wieder da – und die Begeisterung und die Freude. Aber die anderen brauchen noch Zeit, müssen sich der eigentlich so ersehnten Gegenwart Jesu wieder neu anvertrauen.

Ich denke, Weltjugendtage, Ostern, ja alle möglichen Erfahrungen, die für mich groß und wertvoll sind, brauchen mehr als nur einen Festtag. Solche Highlights gewinnen sogar an Bedeutung, wenn ich sie heraushole aus der Enge eines feierlichen und geschmückten Tages – in mein alltägliches Leben hinein.

Dass unsere Augen für diese Hoffnung aufgetan werden, das wünsche ich uns allen! Lydia Bölle