+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus Mk 6,7-13

In jener Zeit rief Jesus die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst! Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis. Und sie zogen aus und verkündeten die Umkehr. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.

„…jeweils zwei zusammen.“
„…nichts auf den Weg mitzunehmen.“

     „…schüttelt den Staub von euren Füßen.“
„Und sie zogen aus…“

Geradezu „nackt“, aber nicht allein – so sendet Jesus die zwölf Jünger aus. Nichts sollen sie mitnehmen – nur seinen Auftrag! Nichts soll sie stärken – nur sein Wort! Nichts anderes soll sie motivieren – nur seine Sendung! Aber etwas scheint ihm sehr wichtig zu sein: Geht zu zweit. Nicht allein! Jesus kennt die Menschen und ihre Grenzen. Allein zu gehen ist zu schwer, macht einsam und verletzlich. Also gilt: Nehmt nichts mit auf euren Weg – außer einander!

Und wieder wird klar: Der Auftrag ist die Verkündigung, nicht der Erfolg! „Wenn man euch nicht hören will, dann geht weiter!“ Jesus übernimmt die Verantwortung für alles, was geschieht. Er lädt sie den Jüngern nicht auf. Er sorgt dafür, dass das, was sie jeweils einbringen können, reicht. „Reibt euch nicht auf an dem Unwillen der Zuhörer, schüttelt den Widerstand gegen eure Botschaft ab, wie Staub von den Füßen! Lasst euch nicht beeindrucken von Ungastlichkeit und Kälte!“ All das scheint er ihnen zuzurufen bevor sie losziehen.

Den vielen lebensfeindlichen Mächten sollen sie sich entgegenstellen: den Dämonen und den Krankheiten. Positiv ausgedrückt: Den Menschen, die „besessen“ oder verletzt sind, sollen sie sich heilsam zuwenden. Krankheiten des Leibes und der Seele sind oftmals Zeichen und Ausdruck von Lebens-Krisen. Und „Krise“ bedeutet im Griechischen „Beurteilung, Entscheidung, Trennung“. Es meint demnach die Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt. Dort, wo Heilung geschieht, handelt es sich also um eine lebendige, „hautnahe“ Wende, ja Umkehr. Und dann wird sichtbar, dass es bei der Verkündigung der Umkehr, mit der die Jünger unmittelbar beginnen, nicht nur um ein paar gesprochene Worte geht. Denn so einfach ist das nicht, dass ein Mensch sich ändert und sein Leben „umkehren“ kann. Da braucht es tatsächlich eine heilende, machtvolle Kraft, damit ein „besessener“ Mensch frei wird und fähig, die Richtung seines Lebens zu ändern. Mit moralischen Appellen ist da nicht viel zu erreichen. Die bewirken in der Regel ohnehin nur Traurigkeit, trotziges Verhalten oder andere Formen der Abwehr. Und  diese not-wendige und wirksame Voll-Macht, die überträgt Jesus auf seine zwölf Jünger. Was damit gemeint sein könnte, lässt sich in einer chassidischen Geschichte, die Martin Buber überliefert hat, ahnen:

Zu Rabbi Ahron in Lechowitz wurde einst der kleine Mordechai gebracht. Sein Vater klagte, dass der Knabe unverbesserlich böse sei und durch nichts zum Guten gebracht werden könne. Ob der fromme Mann da nicht helfen könne. „Lass ihn eine kleine Weile hier!“, sagte Rabbi Ahron. Als er mit dem Kind alleine war, legte er sich hin und bettete den Knaben an sein Herz. Schweigend hielt er ihn am Herzen, bis der Vater wieder kam. „Ich habe ihm ins Gewissen geredet“, sagte der Rabbi. „Hinfort wird es ihm an Gutem nicht fehlen.“ Wenn der Rabbi von Lechowitz diese Begebenheit erzählte, fügte er hinzu: „Damals habe ich gelernt, wie man Menschen zur Umkehr bewegt.“

So ist Jesus wohl auch selbst mit den Menschen umgegangen. Und er wollte, dass seine Jünger ebenfalls auf genau diese Weise die Menschen zur Umkehr führen. Ins Gewissen reden hilft nur, wenn dies mit Zuwendung und Zuneigung geschieht. Nach seiner Idee ist Liebe nicht die Belohnung für Umkehr, sondern ihre Voraussetzung! Aus eigener Erfahrung weiß er, dass eine heilende Kraft besonders von denen ausgeht, die immer wieder Zuflucht suchen am Herzen Gottes. Das dort erlebte Vertrauen können sie dann weitergeben. Wer aber diese Liebe nicht spüren kann, dem helfen auch keine weiteren Erklärungen. Deshalb können die Jünger getrost weiterziehen, wenn sie das wahrnehmen. Wer sich nicht berühren lässt, sich nicht ans Herz legen lässt, den retten Predigten auch nicht. Aber vielleicht zwei andere Jünger – später dann.

Ihnen und euch allen einen gesegneten Sonntag! Lydia Bölle